Oh selig, oh selig Ein kind zu sein Oh selig, oh selig Ein kind noch zu sein
Manche leute singen lieder Darin sehnen sie sich wieder Nach der längst vergangenen jugendzeit zurück Ja, sie träumen von den jahren Als sie minderjährig waren Sie sehnen sich nach ungetrübtem glück Rühr- und weinselig schweigt dann der männerchor Denn feuchten auges knödelt nun ein schwülstiger tenor: Meine semmelblonden locken streichelt sanft der abendwind – Ich möchte einmal noch so frei und unbeschwert sein wie ein kind
Früh nimmt die freiheit ihren lauf Drängt sich dem kleinkind förmlich auf Wenn es verschlafen morgens aus dem bett aufsteht Dann heißt es: „los, ich kann nicht warten Vorwärts, marsch in deinen kindergarten Trödel nicht, sonst komm ich noch zu spät!“ Man stopft ihm rasch noch ein stück kuchen in den mund, Und es frühstückt dann im laufen, denn das ist ja so gesund Und so merkt es auch, dass früh der ernst des lebens schon beginnt – Ich möchte einmal noch so frei und unbeschwert sein wie ein kind
Guter rat ist niemals teuer Jeden morgen kommt ein neuer Voller sehnsucht schon erhofft und heiß begehrt „vor dem stuhlgang, nach dem essen Hände waschen nicht vergessen!“ Solche lebenshilfe ist von hohem wert „aus einem kind, das zu viel darf, wird mal ein mensch, der nicht viel kann“ Oder: „wer heimlich kuchen nascht, den holt der schwarze mann“ Und: „wenn man barfuß über kalte fliesen läuft, dann wird man blind“ – Ich möchte einmal noch so frei und unbeschwert sein wie ein kind
Sonntags kommen die verwandten Und man schatzt mit alten tanten Meldet das kind, dass es auch mal was sagen will Belehrt man's: „kinder, die was wollen Kriegen gleich was auf die bollen! Sich're du mal unsere rente und sei still!“ Abends wünscht man dann zu allem überfluss: Nun gib allen schön das pfötchen und der tante einen kuss!“ – (äh!) Dabei weiß doch jeder selbst, wie eklig tantenküsse sind – Ich möchte einmal noch so frei und unbeschwert sein wie ein kind
Gesetzt den fall, die mama fragt: „wie oft hab ich dir schon gesagt Du sollst nicht immer wieder in der nase bohr'n?“ Entgegnet man in diesem fall: „ich glaube sechsundvierzig mal“ Setzt es mit sicherheit gleich ein paar warme ohr'n Manchmal fragt man das kind, damit's den ernst des lebens nicht vergisst: „was willst du eigentlich werden, wenn du mal erwachsen bist?“ Und wenn es noch nicht früh genug verkalkt ist, sagt das kind: „auf jeden fall nicht so beknackt, wie die erwachs'nen heute sind!“
Oh selig, oh selig Ein kind zu sein Oh selig, oh selig Ein kind noch zu sein