Ulrich Roski
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Wie Ein Kind

Ulrich Roski


Oh selig, oh selig
Ein kind zu sein
Oh selig, oh selig
Ein kind noch zu sein

Manche leute singen lieder
Darin sehnen sie sich wieder
Nach der längst vergangenen jugendzeit zurück
Ja, sie träumen von den jahren
Als sie minderjährig waren
Sie sehnen sich nach ungetrübtem glück
Rühr- und weinselig schweigt dann der männerchor
Denn feuchten auges knödelt nun ein schwülstiger tenor:
Meine semmelblonden locken streichelt sanft der abendwind –
Ich möchte einmal noch so frei und unbeschwert sein wie ein kind

Früh nimmt die freiheit ihren lauf
Drängt sich dem kleinkind förmlich auf
Wenn es verschlafen morgens aus dem bett aufsteht
Dann heißt es: „los, ich kann nicht warten
Vorwärts, marsch in deinen kindergarten
Trödel nicht, sonst komm ich noch zu spät!“
Man stopft ihm rasch noch ein stück kuchen in den mund,
Und es frühstückt dann im laufen, denn das ist ja so gesund
Und so merkt es auch, dass früh der ernst des lebens schon beginnt –
Ich möchte einmal noch so frei und unbeschwert sein wie ein kind

Guter rat ist niemals teuer
Jeden morgen kommt ein neuer
Voller sehnsucht schon erhofft und heiß begehrt
„vor dem stuhlgang, nach dem essen
Hände waschen nicht vergessen!“
Solche lebenshilfe ist von hohem wert
„aus einem kind, das zu viel darf, wird mal ein mensch, der nicht viel kann“
Oder: „wer heimlich kuchen nascht, den holt der schwarze mann“
Und: „wenn man barfuß über kalte fliesen läuft, dann wird man blind“ –
Ich möchte einmal noch so frei und unbeschwert sein wie ein kind

Sonntags kommen die verwandten
Und man schatzt mit alten tanten
Meldet das kind, dass es auch mal was sagen will
Belehrt man's: „kinder, die was wollen
Kriegen gleich was auf die bollen!
Sich're du mal unsere rente und sei still!“
Abends wünscht man dann zu allem überfluss:
Nun gib allen schön das pfötchen und der tante einen kuss!“ – (äh!)
Dabei weiß doch jeder selbst, wie eklig tantenküsse sind –
Ich möchte einmal noch so frei und unbeschwert sein wie ein kind

Gesetzt den fall, die mama fragt:
„wie oft hab ich dir schon gesagt
Du sollst nicht immer wieder in der nase bohr'n?“
Entgegnet man in diesem fall:
„ich glaube sechsundvierzig mal“
Setzt es mit sicherheit gleich ein paar warme ohr'n
Manchmal fragt man das kind, damit's den ernst des lebens nicht vergisst:
„was willst du eigentlich werden, wenn du mal erwachsen bist?“
Und wenn es noch nicht früh genug verkalkt ist, sagt das kind:
„auf jeden fall nicht so beknackt, wie die erwachs'nen heute sind!“

Oh selig, oh selig
Ein kind zu sein
Oh selig, oh selig
Ein kind noch zu sein

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